
Angelika Wienerroither beginnt in ihren Überlegungen mit einer Fotografie, die sie vor einigen Jahren ohne die Intention eines geplanten Projekts aufgenommen hat. Es zeugt von einem zufälligen Anblick eines räumlichen Szenarios, das sich nicht weder als Beschreibung eines Gefühls, einer Erkenntnis, oder des Versuchs eines persönlichen Ausdrucks fassen lässt. Es ist ein Anblick, der seit dem Moment Betretens des Ortes durch die Künstlerin weiterwirkt—als fotografisches Abbild, aber ebenso Information, die in Form von Erinnerung, als Zusammenspiel von Perspektive, textuelles Oberfläche, Lichteinfall, Schwerkraft und fiktiver Benützung durch Menschen, die uns nicht bekannt sind, gegenwärtig ist. Der Ort, ein ehemaliges Sanatorium in Bayern, ist hier Teil einer installativen Konstruktion, die sich mithilfe eines gegenübergestellten Textes, den Wienerroither unter ganz anderen Voraussetzungen verfasste, zunehmend ausbreitet. Text und Bild gehören nicht zusammen, weder zeitlich noch örtlich, noch emotional, noch sprachlich, noch medial. Das ist die Konstruktion, die der Arbeit zugrunde liegt. Und das ist es, das es ermöglicht, dass sich Ort und Erzählung gemeinsam ausbreiten. Diese mediale und künstlerische Befreiung der einzelnen Elemente sind Instrumente, um eine Welt zu kreieren, die erst dort entsteht, wo sie gemeinsam auftreten. Wienerroithers künstlerisches Interesse an der Idee von Präsenz, das sie mit Mitteln der Fotografie, der Aufzeichnung und der Montage praktiziert, steht hier unter den Vorzeichen einer Gesellschaft, die sich weder als privat noch als öffentlich offenbart, sondern sich allein durch die Erfahrung der Gegenwart erschließen lässt.
– Gregor Neuerer, Professor für Fotografie und neue Medien, Universität Mozarteum

Der Sturm
2016/2022
Angelika Wienerroither
digitale Fotografie, Inkjet-Print, Stirnlampe, Box, Aquarium, Wasser; analoge Fotografie, Projektion, Text
Gruppenausstellung „Papperlapapp“ Studierender der Universität Mozarteum im Salzburger Kunstverein, 27. bis 30. Jänner 2022